Wundertüte Lady Shipley
Beim dritten Antreten in der neuen Welt klappte es für den nunmehr elfjährigen schwedischen Fuchs-Wallach mit dem Sieg in der Breeders Crown (500.000 Dollar), er gewann gegenüber der kürzlich in Harrisburg um 750.000 Dollar verkauften Maven sowie dem innen festsitzenden Creatine. Commander Crowes Rennkarriere haben unsere Kollegen von www.trabtipp.de wie immer trefflich beschrieben, zu lesen (inklusive Ergebnis) hier.
Wir interessieren uns an dieser Stelle für die Herkunft des gewaltigen Fuchses mit den vier weißen Stiefeln, womit wir gleich bei seinem Vater wären, der deren drei trägt. Der 1997 in Frankreich von Jean-Pierre Dubois gezogene Juliano Star war in seiner Heimat ein durchaus frühreifes Jahrgangspferd (u.a. Sieger im Critérium des Jeunes) und wurde 2003 nach Schweden importiert. Doch er deckte schon ab 2001, sodass seine ältesten Nachkommen 2002 geboren wurden, ein Jahr später kam Commander Crowe zur Welt. Nach seinem mit Abstand besten Nachkommen – der Commander hat nach seinem angeblich allerletzten Start auf The Meadowlands exakt 34.345.097 Schwedenkronen eingetrabt und liegt damit hinter Victory Tilly an zweiter Stelle der gewinnreichsten Schweden – brachte er weitere 13 Kronenmillionäre, die bekannteste davon ist wohl die Stute Bobtail mit über 5 Millionen SEK an Gewinnen. Insgesamt hat Juliano Star in Schweden weit über 1.000 Stuten gedeckt, 794 Nachkommen sind bis dato registriert.
Wie bei einem Franzosen zu erwarten, streut Juliano Star recht breit bei seinen Nachkommen, Commander Crowe hebt die Durchschnittsgewinne seiner Nachkommen doch erheblich. Zu erwähnen ist, dass mit einer einzigen Ausnahme seine Millionentraber in Zusammenspiel mit rein amerikanischen Muttervätern entstanden. So auch bei Commander Crowe, der den großen Mack Lobell als Muttervater hat, dieser glänzt in dieser Rolle auch bei Pferden wie Malabar Circle As, Sanity, Improve As, Jaded, Alexia As, Orecchietti, Drillbit As, Human Behaviour in Schweden, Carolyn As und Southwind Flanders in den USA oder auch Weltblut in Deutschland.
Juliano Star deckte heuer um eine Gesamtdecktaxe von 30.000 SEK (rund 3.250 Euro) auf Broline und befand sich auf der Traditionsfarm mit Classic Photo, Ken Warkentin (ab nächstem Jahr in Italien auf Allevamenti Toniatti deckend), Lindy Lane, Pine Chip, Quite Easy und Weingartner in bester (amerikanischer) Gesellschaft. 35 Stuten wurden Juliano Star heuer zugeführt, seine besten Jahre hatte er 2008 und 2010, als er die Höchstzahl von 150 Stuten als Pascha bediente. Der Fuchs ist ein Sohn des französischen Champions Buvetier d’Aunou und stammt aus der französischen Mutterlinie der 1918 geborenen Sainte Marie Du Mont. Diese hat nicht allzu viele Höhepunkte zu bieten, ganz sicher einer war der stark vererbende Quioco, auch die Trabreitgröße Nestoriac sowie Prince Royal gehören in Frankreich dazu. Erstaunlicherweise machte gerade in den USA in den letzten Jahren ein nunmehr neunjähriger Wallach namens Hasgotlegs (v. Feel Like A Winner) aus dieser Mutterlinie von sich reden, der fast 400.000 Dollar verdiente und dessen fünfte Mutter Thais III in den siebziger Jahren von Frankreich in die Staaten verschifft wurde.
Wenden wir uns aber der Mutterlinie von Commander Crowe zu, eine absolute Wundertüte. Vorausgeschickt werden soll, dass diese Linie sowohl in der alten als auch neuen Welt prächtig vererbt, die größeren Erfolge sind aber wohl doch in Europa auszumachen. Es ist dies die Linie der im Jahr 1865 in den USA geborenen Stute Lady Shipley, die einen ersten absoluten Höhepunkt in den USA mit dem 1945 geborenen, legendären Pacer Knight Dream (Nibble Hanover – Lydia Knight – Peter The Brewer) hatte, der eine reine Traberabstammung aufwies und zu einem ausgezeichneten Vererber wurde. Genau umgekehrt verhält es sich bei dem fast 40 Jahre später geborenen Sandy Bowl, ein Super-Bowl-Sohn mit 1,3 Millionen Dollar an Gewinnen aus einer Passgänger-Stute (Keystone Sandal), in der Zucht allerdings nicht wirklich nachhaltig. In ihrem Heimatkontinent setzten sich die Erfolge dieser Linie bei Pferden wie den Wallachen No Sex Please (v. Brisco Hanover), 1,8 Millionen Dollar, Smooth Muscles (v. Muscles Yankee) oder Kash’s Caviar (v. S J’s Caviar) fort, dazwischen immer wieder Riesenerfolge bei den Pacern.
Dazwischen machte sich diese Linie durch diverse Importe auch in Europa stark, beginnend eingentlich in Deutschland mit dem 1952 geborenen Permit-Sohn Wulf, der auch in der Zucht eine Wucht war. Ebendort war in den achtziger Jahren des verblichenen Jahrhunderts die Stute Singing Clöving (v. Yoster Clöving) eine große Nummer, später auch Pferde wie Couchou des dames, Ghost Town (beide v. Call Upon) und Garant (v. Valley Guardian/alle drei Pferde aus der Stute Gila).
Die Mutterlinie der Lady Shipley war und ist punktuell auch in weiteren europäischen Trabernationen mit Erfolgen behaftet, der aus heutiger Sicht jedoch wichtigste Zweig führt aber sicherlich nach Frankreich. Und das ging so: Im Jahr 1921 wurde in den USA die Stute Miladi Volo geboren, eine Ur-Ur-Enkelin von Lady Shipley. Diese wurde nach Frankreich exportiert und dort dem Hengst Es Tu La III zugeführt, das Ergebnis war die 1934 geborene Stute Miss Volo. Dann tat sich in dieser französischen Filiale der Mutterlinie längere Zeit herzlich wenig, eigentlich bis zur Geburt der Stute Nesmile im Jahr 1979, die ein braves Rennpferd mit rund 60.400 Euro an Gewinnen war. Diese schlug in der Zucht ein wie eine Bombe, man muss an dieser Stelle jedoch unbedingt darauf hinweisen, dass es sich um die achtziger Jahre handelte und zu dieser Zeit das französische Gestütbuch für amerikanische Hengste geöffnet war. Ein wahrer Glücksfall, auch und speziell bei Nesmile, und, wie man sehen wird, auch für praktisch ganz Europa. Sie brachte zwischen 1986 und 1993 sieben Fohlen, die ersten zwei davon von Speedy Somolli, damals glücklicherweise noch fertil. Diese Stuten hießen Unispeed (starkes Rennpferd und gute Vererberin) sowie Amour d’Aunou (braves Rennpferd und vor allem „Gebärmaschine” mit nicht weniger als 16 Fohlen zwischen 1994 und 2013!). Letztere brachte als Erstling die Stute Guilty of Love nach And Arifant, diese wurde Mutter von Love You 1:10,2 – 1,4 Millionen Euro, dem aktuell erfolgreichsten Deckhengst Europas, sowie von seinen rechten Brüdern Nice Love, Perhaps Love und Repeat Love, alle von Coktail Jet. Guilty of Love brachte weiters die Stute My Lovely Girl, Mutter des Deckhengstes So Lovely Girl. Die 2006 geborene und auch von Jean-Pierre Dubois gezogene Guilty-of-Love-Tochter (ebenfalls von Coktail Jet) Song of Love wurde von Donato Hanover gedeckt und brachte für die nordamerikanische Dubois-Dependance 2010 den Hengst Tonato of Love, danach wieder drei französische Nachkommen, alle von Sam Bourbon. Neben Guilty of Love brachte Amour d’Aunou mit In Love With You (v. Coktail Jet) und vor allem der grandiosen Stute Private Love (v. Goetmals Wood) zwei starke Rennpferde.
Der dritte Partner von Nesmile war Royal Prestige, es resultierte mit Buvetier d’Aunou ein enorm starkes Rennpferd und ein Fixstern (nicht nur) am französischen Deckhengste-Firmament. Nach der Stute Comtesse d’Aunou (v. Baltic Speed) brachte Nesmile ihr Masterpiece der Rennbahn, den Armbro-Goal-Sohn Defi d’Aunou, mit Gewinnen von fast 2,4 Millionen Euro unter den Top-10-Trabern der Grande Nation zu finden. Wie die meisten Söhne von Armbro Goal vererbte der Fuchs jedoch leider nur punktuell gut (etwa die Superstute Mahana).
Das letzte Fohlen der Nesmile war 1993 der in den USA geborene Hengst Fool Me Not (v. Royal Prestige), den Dubois für den dortigen Markt als Stallion aufstellte, tatsächlich zeugte er mit kleinsten Jahrgängen fünf Traber mit Gewinnen zwischen 170.000 und 440.000 Dollar. Als Muttervater fungiert er zudem beim Dollar-Millionär Frenchfrysnvinegar (v. Angus Hall).
Man kann also zusammenfassen, dass die zwei wohl wichtigsten Vertreter der Mutterlinie der Lady Shipley (manchmal auch als jene ihrer Enkelin Reply angeführt, womit man allerdings den französischen Zweig ignorieren würde...), Commander Crowe als Rennpferd und Love You als Vererber (zudem natürlich auch das Ausnahmerennpferd Defi d’Aunou), die Fuchsfarbe tragen, wenngleich in unterschiedlicher Tönung. Der Schwede trägt über seinen Vater Juliano Star rund 26% französisches Blut in seinen Adern, seine Mutter, die Finnin Somack, übrigens rekordlos, ist allerdings mit 100% US-Blut ausgestattet. Love You weist für einen Franzosen einen recht hohen Anteil an US-Blut von 57% auf, einerseits aufgrund der amerikanischen Mutter seines Vaters Coktail Jet, andererseits durch Einzüchtung von Hengsten wie Speedy Somolli und auch Sharif di Iesolo auf der Mutterseite.
Abschließend sei betrachtet, in welcher Generation sich die Mutterlinien von Commander Crowe und Love You treffen. Tatsächlich erst bei einer der zwei Töchter der Liniengründerin selbst, bei der 1879 geborenen Florence D. Der Zweig von Love You ging wie erwähnt in der fünften Generation nach Lady Shipley außer Landes, bei jenem von Commander Crowe erst in der achten Generation mit der auf Castleton geborenen Stute Song Festival (deren Mutter Singing Lady wiederum nach Deutschland ging und dort Mutter der erwähnten Singing Clöving wurde), die 1979 siebenjährig und trächtig nach Speedy Somolli nach Schweden exportiert wurde. Ihr daraus resultierender schwedischer Erstling, die Stute Somolli Ribb, wurde nach Finnland exportiert, wo sie sechs Nachkommen zeugte, darunter als Erstling den guten Super Somolli (v. Super Bowl) sowie gleich darauf nach Mack Lobell die Stute Somack, die ihrerseits 1997 wieder von Finnland nach Schweden gebracht wurde und dort bis zu ihrem Tod insgesamt 11 Fohlen zeugte, neben Commander Crowe eigentlich nur erwähnenswert ihr Erstling Mack Peter (v. Pintado).
Man sieht an dieser Aufstellung, dass die Mutterlinie der Lady Shipley wohl zu herausragenden Taten befähigt ist, mit großer Dichte wie bei den weltbesten Mutterlinien üblich kann sie allerdings nicht aufwarten. Auf www.bluechipfamilies.com wird sie als Linie U29 geführt; U für USA, 29 für den 29. Rang in der Liste der besten US-Linien anhand der großen Sieger.
2014_11