Conrad Lugauer über Campo Bahia, dessen Abstammung sehr viel mit Österreich zu tun hat
Am Dienstag, dem 18. September, gingen in Stockholm-Solvalla die Vorläufe zum Trav-Kriterium bzw. der Trav-Oaks in Szene, die bedeutendste Rennserie für die dreijährigen männlichen bzw. weiblichen Traber Schwedens, die aber nicht notgedrungen schwedisch gezogen sein müssen. 12 Vorläufe (6 für die Stuten über 2140 Meter, 6 für die Hengste/Wallache über 2640 Meter) mit je 12 Pferden, insgesamt also 144 Pferde. In Vorlauf Nr. 9 trat ein Muscle-Hill-Sohn als Favorit an, der aufgrund seiner Mutterlinie einen enormen Bezug zu Österreich hat.
Mit Startnummer 10 nicht eben begünstigt, lag der Hengst namens Campo Bahia nach der Startphase dann auch an vorletzter Stelle, rückte in dritter Spur sukzessive auf, setzte im Schlussbogen dem nun führenden Danilo Brick nach und fing diesen vor dem Ziel noch sicher ab. Wenngleich Campo Bahias Siegerzeit von 1:13,8 „nur” die drittschnellste aller Vorläufe der männlichen Teilnehmer war (die weiteren: Cab Lane 1:13,1 v. Muscle Hill, Attraversiamo 1:13,5 v. Kiss Francais, Global Wise Guy 1:13,9 v. S J´s Caviar, Betting Gangster 1:14,0 v. Going Kronos sowie Forfantone Am 1:14,3 v. Muscle Hill), so war diese Leistung vermutlich die beeindruckendste aller Vorläufe.
Video des Rennens (Campo Bahia Nr. 10, Lugauer in roter Dress)
Nun aber zur spannenden Geschichte dieser Mutterlinie. Prinzipiell ist es jene der Amerikanerin Pick (v. Ericsson), die in den 1870er-Jahren in den USA geboren wurde. Der insgesamt erfolgreichste Traber dieser Linie war bislang der finnisch gezogene Tornando, der u.a. 1998 das Kálmán Hunyady-Gedenkrennen in Wien gewinnen konnte. Der Schnittpunkt zu den österreichischen Trabern liegt da aber doch weit zurück (Gertie McGregor, geb. 1889), sodass wir den österreichischen Zweig weiterverfolgen.
Eine Urenkelin der Pick namens Silence T (*1901) wurde nach Ungarn exportiert, diese brachte 1914, dem Jahr des Ausbruchs des 1. Weltkriegs, die Stute Jere, die im damaligen K&K-Großreich österreichisch registriert wurde. Schon weit nach Ende des Krieges brachte Jere im Jahr 1930 die Stute Jerica, die im damaligen Königreich Jugoslawien geboren wurde. Weiter geht der Zweig über ihre Tochter Jelenka (1940), deren Tochter Jeka (1947), sowie wiederum deren Tochter Jerkica (1957), letztere zwei Pferde nunmehr schon im kommunistischen Jugoslawien geboren.
Jerkica wurde nach Österreich exportiert und stand im Stall des vielfachen Champions Ernst Fischer, der aufgrund seiner jüdischen Wurzeln vor den Nazis nach Rumänien geflohen war, dort die Traber des Königs trainierte und nach dem Ende des 2. Weltkriegs nach wie vor Kontakt zum verbliebenen Trabrennsport in den osteuropäischen Ländern hatte.
Zu dieser Zeit fanden zwei Trabrennsportbegeisterte, Helmut Guber und sein Sohn Harald, den Weg zu den Pferden und wurden zusammen mit dem Brüderpaar Josef und Dr. Wolfgang Kruder zu höchst erfolgreichen Züchtern mit dieser Mutterlinie. Doch bis es soweit war, mussten sich die neuen Besitzer von Jerkica noch einiges anhören, mit einer jugoslawischen Stute züchten, etc.
Jerkica wurde dem damals im Gestüt Schönfeld deckenden, später auch in Deutschland erfolgreichen Star´s-Pride-Sohn Armbro Duke zugeführt, daraus entstand die Stute Schönfelderin, geboren 1970. Deren erstes Produkt war die Stute Wünschelrute, *1978, deren Vater der österreichische Derbysieger von 1969, der Nobelhengst Advokat.
Wünschelrute mag rein vom Exterieur kein ansprechendes Pferd gewesen sein, doch sie hatte großes Potential, das sich u.a. mit einem dritten Platz im Östereichischen Traber-Derby des Jahres 1982 niederschlug. Wünschelrute gewann über eine halbe Million damaliger Schillinge und verblieb als einziger Nachkomme ihrer Mutter in den Händen der Gubers, nach dem zweiten Nachkommen waren auch die Kruders mit von der Partie.
In den frühen neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es noch keinen Gefriersamen in Österreich, und so trat Wünschelrute den Weg nach Schweden zu Pershing an, von dem sie drei Nachkommen brachte, von diesen höchst erfolgreich American Graffiti und die Stute Charade, Derby-Vierte 1997, Mutter der Derbysiegern des Jahres 2006, La Traviata 1:13,4 – 87.769 EUR (v. Awesome Goal).
Letzter Nachkomme von Wünschelrute war die Stute American Goal (*1995, v. Armbro Goal), die sich lange mit Chips herumschlug, bevor sie vierjährig durchstartete und das Stuten-Derby in Baden gewann. Bald in der Zucht, brachte sie nur zwei Nachkommen (ein Fohlen nach Super Arnie ging ein), das erste davon Sanssouci (*2004) 1:12,0 – 101.993 EUR (v. Gigaro), der mit Martin Redl während seiner Zeit in Schweden (und auch als Zuchtrennsieger in Österreich) tolle Leistungen zeigte und nun als Deckhengst in Österreich wirkt.
Das zweite und auch letzte Fohlen von American Goal (sie ging einen Tag nach der Geburt ein) war die Stute Americandream A.T. 1:13,5, österreichisch gezogen, aber praktisch nur in Schweden gestartet, von einer Fremdstute angenommen und aufgezogen. Die Tochter des Franzosen Extreme Dream (Josef Kruder war von Beginn an ein großer Fan der Linie von Star´s Pride, daher auch die Bedeckungen mit Armbro Duke und eben mit dem Florestan-Enkel Extreme Dream) bestritt ihr letztes Rennen 2011, danach brachte sie 2014 als Erstling in der Zucht A Chocolate Dream (v. Chocolatier); die Stute ging nach Österreich, Americandream A.T. blieb bei Conrad Lugauer in Schweden.
Für ihn brachte sie 2015 Campo Bahia. Dieser wurde von Lugauer an das im Trabrennsport seit langer Zeit bekannte deutsche Ehepaar Berchtold (u.a. Lets Go, Jillis Joker, Spartan Kronos) um, na sagen wir, viel Geld verkauft.
Bislang sollten sie den Kauf alles andere als bereuen. Wer den englischen Kommentar des Kriterium-Vorlaufs gehört hat, konnte sich ein Bild davon machen. Noch während der Zieldurchfahrt überschlug sich der Reporter mit Superlativen, Campo Bahia wurde als kommender Weltstar bezeichnet und Lugauer mit der Aussage zitiert, dass er noch nie ein so gutes Pferd in den Händen hatte…
Ein Jahr nach Campo Bahia kam eine Vollschwester namens American Hill zur Welt, nun zweijährig.
Zurück nach Österreich, wo sich diese Linie höchst interessant fortzusetzen scheint: A Chocolate Dream, nun vierjährig, war stets eine hochveranlagte Traberstute, die jedoch immer wieder mit Indispositionen zu kämpfen hatte. Sie war mit einer Zeit von 1:14,8 die schnellste Teilnehmerin des heurigen Österreichischen Traber-Derbys und wurde im Rennen selbst Fünfte. Ihr größter Erfolg war dann der Sieg im Stuten-Derby in Baden, sie wird nun auf die weiteren Zuchtprüfungen bei Gregor Krenmayr vorbereitet.
Und Sanssouci bekam mit La Traviata und der auf der Bahn weit weniger erfolgreichen Cara Mia (v. Juliano Star) zwei Stuten als Partnerinnen, die stark mit ihm selbst verwandt sind (siehe nebenstehendes Pedigree).
Abschließend erzählte uns Dr. Helmut Guber, dass er immer wieder erstaunt über die enorme Startschnelligkeit der Nachkommen der Wünschelrute ist, die auch völlig trabsicher agieren. Sein nächstes Ziel ist es, A Chocolate Dream nach ihrer Rennkarriere von Muscle Hill decken zu lassen, so dies dann noch möglich ist.
Die Erfolgsstory dieser Mutterlinie kann weitergehen. In Schweden wie in Österreich.
Konung Gustaf V:s Pokal (Gr I Int)
2018_09