1963: Boris – 2001: Super Mind – 2005 Arnie’s Mind – 2017: Super Hall?
Nach dem ebenso überlegenen wie beeindruckenden Sieg von Super Hall mit Franz Konlechner im Theodor Mautner-Markhof-Gedenkrennen der Zweijährigen in der Wiener Krieau (Video) kann man sich schon jetzt die Frage stellen, ob man hier die Derbysiegern 2017 gesehen hat. Die Stute wäre damit der vierte Derbysieger einer spektakulären Mutterlinie, die weit über Österreichs Grenzen hinaus Ansehen genießt, allerdings (fast) nur hier beheimatet ist.
Der Autor dieser Zeilen erfuhr in der Wiener Krieau beim Derbysieg von Super Mind im Jahr 2001 von seinem Freund Gerald Schimon, einer der größten Traberzucht-Koryphäen weltweit, der sich leider komplett zurückgezogen hat, dass diese Linie auf eine Lipizzaner-Stute zurückgeht. Diese zu 91% aus schimmelfarbigen Pferden bestehende Rasse geht auf das slowenische Gestüt Lipica zurück, in dem die mehr oder weniger vom Aussterben bedrohten Tiere in der Habsburg-Monarchie seit dem 18. Jahrhundert intensiver gezüchtet wurden, der Ursprung reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Internationale Berühmtheit erlangten die Schimmel freilich vor allem durch die Darbietungen in der Spanischen Hofreitschule in Wien, die heuer ihr 450-jähriges Jubiläum feiert.
Alles über die Lipizzaner: Gestüt Lipica, Lipizzaner
Der Ursprung der Traberlinie der Helena K. geht auf die in den 1880er-Jahren in Österreich geborene Lipizzanerstute Horrenda zurück, deren Vater Favory ein Lipizzaner war. Diese wurde vom englischen Galopperhengst Pantaloon gedeckt, so kam 1891 die Stute Helena zur Welt, eine österreichisch gezogene Galopperstute. Sie wurde mit dem 1890 geborenen österreichischen Traberhengst Keso (Cupid a.d. Pava, aus dieser Linie sollte später mit Baka einer der illustresten ungarischen Traber entspringen) gepaart, das Resultat war die 1898 geborene Liniengründerin Helena K., eine Traberstute, die in der K&K-Monarchie ungarisch registriert wurde. Ihre 1902 geborene Tochter Iloncza war dann österreichisch eingetragen, weiter geht es in der Linie mit der 1914 geborenen Iris (Österreich), deren 1920 geborener Tochter Ili (Ungarn), ihr folgte 1925 Iwa (Ungarn), bevor dieser Zweig dieser Familie endgültig nach Österreich übersiedelte, dies mit der 1940 geborenen Stute Chania. Diese brachte in den Wirren des zweiten Weltkriegs die Stute Imperia, diese den ersten Derbysieger dieser Linie, den 1959 geborenen Boris v. Condottiero.
Dazu telefonierten wir mit dem langjährigen Manager des Gestütes Schönfeld, Ing. Günther Schneiberg. Er erzählte uns: „Chania war eine schöne, mittelgroße Fuchs-Stute, die von Karl Volkmann trainiert wurde, zumeist gefahren vom Amateur-Meister Franz-Xaver Seidl. Chania ging in der Zucht ins Konar-Gestüt in Groß-Enzersdorf und brachte dort Jovanka.”
Mit der 1955 geborenen Jovanka (v. Ural) war diese Linie auch in Schönfeld gelandet. Dort war mit Schneiberg, der von 1954 bis 1965 in Kanada im Traber- und Pacesport arbeitete, der moderne Trabrennsport in Österreich eingezogen, der von ihm importierte Star’s-Pride-Sohn Armbro Duke (aus der Mutterlinie der Medio) wurde mit Jovanka gekreuzt, daraus resultierte die 1967 geborene Stute Du, die über ihre Töchter eine wahre Flut an guten Trabern in Österreich der achtziger- und neunziger Jahre spülte, erinnert werden soll etwa an Ossiach oder Laska. Diese wiederum wurde vom Amerikaner Burning Speed (v. Speedy Scot, ebenfalls aus der Medio-Mutterlinie) gedeckt, woraus 1976 die Stute Du-Burning entsprang. Ihr Züchter war Wolfgang Liedl, dessen größter Zuchterfolg der Derbysieger von 1985, Brubaker, sein sollte. Deren klar bester Nachkomme war die Stute Never Mind, ebenfalls von Liedl gezogen, mit Gewinnen von umgerechnet über 30.000 Euro. Never Mind entstammte dem österreichischen „Jahrhundert-Deckhengst” Proven Freight und sollte sich für ihre Besitzerin Rosa Maria Veszely als kolossale Zuchtperle erweisen, wenngleich der Beginn eher enttäuschend verlief. Doch spätestens seit ihrem dritten Nachkommen, der Stute Super Mind, war der Bann gebrochen. Die Super-Arnie-Stute gewann mit Wolfgang Ruth das Derby 2001 und wurde mit knapp 200.000 Euro an Gewinnen zum damals gewinnreichsten österreichischen Traber aller Zeiten. Absolut erfolgreichster Traber dieser Mutterlinie war allerdings der 2001 geborene Arnie’s Mind (v. Super Arnie), vielfacher Zuchtrennsieger und Derbysieger 2005 (mit Dieter Marz im Sulky anstatt seines gesperrten Trainers Wolfgang Ruth), Gewinner von 213.191 Euro bei einem Rekord von 1:13,8, nach Striking Actions zweitgewinnreichster Traber Österreichs aller Zeiten (gleichauf mit Kaka).
Wie geht es weiter mit dieser Linie? Glücklicherweise sind einige Stuten unter dieser, somit kann der Erfolg weitergehen. Never Mind brachte von ihren acht Nachkommen vier Stuten:
1997: Super Mind ist nun 18 Jahre alt, sie zeugte bislang sechs Nachkommen, darunter mit Belle De Jour 1:16,5 (v. Toss Out), der formidablen Super Brandy 1:13,6 (v. Brandy dei Fiori), Victory Mind 1:16,0 (v. Uronometro) und eben Super Hall 2j. 1:17,2 (v. Algiers Hall) vier Stuten, alle (noch) im Renneinsatz. Sie besitzt eine Jährlingsstute namens Super Speed, die von Edu’s Speedy abstammt, augenblicklich bei Trainer-Champion Hubert Brandstätter jun. im Training.
2000: Velocita Massima (v. Dale Qui), mit 1:15,9 ein schnelles Pferd, wenngleich nur zu einem Zehntel so gewinnreich wie ihre Halbschwester. Sie brachte bislang keine Nachkommen, wurde heuer von Alv Peacepipe gedeckt.
2005: Power Mind 1:17,8 (v. Power to Charm), die Stute ging nach nur kurzer Rennkarriere ein.
2007: Soni Mind, ebenfalls von Super Arnie abstammend. Die Stute hatte in jungen Jahren einen Trainingsunfall und ist auf einem Auge blind, deswegen ohne Rennleistung. Sie besitzt eine hochtalentierte Jährlingsstute nach Up di Poggio, die erst kürzlich nach Italien zu Wolfgang Ruth ins Training wechselte. So schließt sich der Kreis. Angemerkt soll aber auch sein, dass Soni Mind augenblicklich um den Bettel von 1.500 Euro als Zuchtstute zu haben ist, aber bislang keinen Käufer findet. Soviel zum aktuellen Zuchtwert einer österreichischen Traberstute aus einer Top-Linie …
Es soll gesagt sein, dass sich diese Mutterlinie vor allem in Österreich enorm durchgesetzt hat, hier könnte man wirklich von einer altösterreichischen Traberlinie sprechen, wenngleich die großen Erfolge aber schließlich vor allem durch die Einkreuzung modernen amerikanischen Blutes zustande kamen. In Ungarn konnten wir keine nennenswerten Nachkommen der Linie der Helena K. herausfinden, hochinteressant allerdings, dass etwa der serbische Derbysieger des Jahres 2012, Amazon Banker (Wall Street Banker – Annie – Endless Sands), mit 1:15,4 einer der schnellsten Traber seines Landes, dieser Mutterlinie entspringt. Unseres Wissens wurde die 1984 geborene Netty (v. Tadoura), eine Tochter der Du-Tochter Du-Proud (v. Proud Vic), in das ehemalige Jugoslawien exportiert und brachte über ihre Tochter Annie schließlich Amazon Banker.
Abschließend sei erwähnt, dass die Linie der Helena K. mit drei Derbysiegern sozusagen an zweiter Stelle in der Rangliste Österreichs steht, vier Siege haben bislang nur die Linien von Medarda I (eine russische Stute), die zwischen 1935 und 1968 ihre Derbysieger brachte, sowie die US-Linie der Medio (zwischen 1975 und 2012) gebracht. Siehe dazu auch: Mutterlinien im Österreichischen Traber-Derby.
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2015_11