Franko-amerikanisches Züchterherz, was willst du mehr?
Es war der Tag des Prix d'Amérique 2013 am 27. Jänner in Paris-Vincennes. Bei einer Aufwärmpause zwischen den Rennen erzählte der auf der Tribüne weilende österreichische Rekord-Champion Gerhard Mayr dem Chronisten dieser Zeilen von einem mehr als durchschnittlichen Ankauf eines französischen Trabers; man solle jedoch noch nicht viel Wind darum machen, da noch nicht alles unter Dach und Fach.
Knapp einen Monat später war es dann soweit. Vrai Lord betrat am 1. März unter dem neuen Besitzernamen Ecurie Antonshof der investitionsfreudigen Serena Hamberg die Rennbahn von Cagnes-sur-mer und schaffte als 670:10-Außenseiter fast eine Sensation. Knapp vor Schluss musste sich das Duo Mayr/Vrai Lord noch beugen, dennoch ein großartiger Auftakt für neue Farben und sogleich 11.000 Euro in die Kasse. Zwei Wochen später bestätigte Vrai Lord die Einschätzung, dass er manchmal doch auch den Galoppsprung kennt und wurde in Lyon disqualifiziert, ebenso am 10. April in Saint-Galmier. Danach ging es mit dem Franzosen nach Süddeutschland, es gab einen Sieg in Straubing und eine Galoppade im Bayerischen Zuchtrennen von Pfarrkirchen. Am 15. Juli war es dann wieder soweit mit einem großen Erfolg, Vrai Lord siegte in Cagnes-sur-mer in einem 35.000 Euro-Bewerb. Nun schien der 2009 geborene Hengst richtig aufzublühen, fegte mit Gerhards Bruder Christian Mayr in der Berliner Derby-Meisterschaft der Amateure sowohl im Vorlauf als auch im Finale zum Sieg und gestaltete sein mit großem Interesse erwartetes Österreich-Debüt am 18. August in Baden ebenfalls erfolgreich.
Nach diesem Sieg meinte Gerhard Mayr im Interview, dass er Vrai Lord in den engen Badener Bögen außen herum fahren musste, was diesem als Franzose freilich nichts ausmachte. Mayr kündigte nach diesem Österreich-Gastspiel wieder größere Aufgaben in Frankreich an, eine weitere schöne Option wäre sicherlich auch das Graf Kálmán Hunyady Gedenkrennen in der Krieau am 6. Oktober. Ein vierjähriger Sieger dieses Rennens, das wäre etwas – und auch eine Reminiszenz an Florestan, der dieses Rennen im Jahr 1974 gar dreijährig gewann...
Womit wir schon bei der Herkunft des neuen Austro-Franko-Stars wären. Sein Vater ist der jetzt schon legendäre Prix d'Amérique-Sieger des Jahres 2009, Meaulnes du Corta. Ein Bild von einem Pferd, Gewinner von 2,8 Millionen Euro und für den Autor dieser Zeilen einer der beeindruckendsten Sieger dieses Rennens der letzten Jahre, der neunjährig die Konkurrenz in den schwarzen Sand des Plateau de Gravelle stampfte. Aber ein guter Deckhengst? Noch etwas zu früh zu sagen, er hat bislang viele gute Nachkommen (siehe hier), ein echter Brüller fehlt aber doch. Allerdings stehen noch viele Jungtraber in den Startlöchern.
Über jeden Zweifel erhaben ist die Mutterlinie von Vrai Lord, deren Nachkommen wie aus dem Nichts kommend plötzlich im neuen Jahrtausend zu einem unglaublichen Höhenflug ansetzten. Diese Linie wird von den Franzosen gerne als eine einheimische gelistet, tatsächlich ist der Ursprung jedoch amerikanisch, Gründungsstute ist die 1875 geborene Stute Kentucky, deren Tochter Lancastre in den achtziger Jahren des vorvorigen Jahrhunderts dann in Frankreich geboren wurde. Ihre Enkelin Kasbah gilt als französischer Ausgangspunkt dieser maternalen Linie.
Dann tat sich lange nichts, mit Ausnahme des 1940 geborenen Simoun M, der das Criterium des 3 ans gewann, hatte diese Mutterlinie bis fast zum Millennium Sendepause. Einen unglaublichen Kick in diese Linie brachte dann offensichtlich die 1984 geborene Stute Slave (Jiosco – Intime – Kerjacques), auf die viele erfolgreichen Nachkommen der heutigen Zeit zurückführen und die nicht weniger als 16 Fohlen hinterließ. Sei es ihr Sohn Dance Marathon (v. Noble Atout), der noch mächtig Franzosenblut (über 75%) in seinen Genen trug, ihre Tochter Grande Lady, deren Vater Buvetier d'Aunou dann schon das wichtige US-Blut einbrachte, oder wiederum deren Tochter Orelady, die vom gewaltigen Sharif-di-Iesolo-Sohn And Arifant abstammt. Orelady war eine mehr als gute Stute mit Gewinnen von über 185.000 Euro und einem Rekord von 1:14,9, ihre Zuchtleistung ist bislang absolut excellent. Ihr Erstling war 2007 der Hengst Texas Of Love 1:12,5 und über 100.000 Euro Gewinne, absolut getoppt von der 2008 geborenen Une Lady En Or (beide von Kaisy Dream abstammend), die den Prix Albert Viel gewann und Dritte im Criterium des 3 ans war. Sie hat bislang bei einem Rekord von 1:12,8 satte 520.000 Euro eingefahren. 2009 folgte dann Vrai Lord, ebenfalls schon mit einem 12er-Rekord behaftet und augenscheinlich mit viel Luft nach oben. Oreladys nun dreijährige Tochter A Gold Lady (v. Love You) setzte schon einen 15er-Rekord auf die Bahn, 2011 gebar Orelady einen Hengst namens Bolero Love nach Love You und 2012 kam sie nach Texas Charm nieder, der Jährling heißt Cincinnati Charm. Bei Letzterem sieht man dann auch, dass sich nunmehr US- und Franzosenblut in etwa die Waage halten, während es bei Vrai Lord einen 60:40%-Überschuss an Franzosenblut gibt.
Mit diesen Erfolgen alleine von Orelady nicht genug, laufen auch andere Traber aus dieser Linie höchst erfolgreich. Aus einem anderen Zweig stammend, wurde etwa die 1991 von Roger Baudron gezüchtete Fuchsstute Via de Vrie nach Schweden exportiert und brachte dort eine der laufgewaltigsten Stuten des wichtigsten skandinavischen Traberlandes, Hilda Zonett. Legendär die Bilder, als die im Derby des Jahres 2001 als einzige Stute gegen die Hengste laufende Spotlite-Lobell-Tochter mit Robert Bergh ausgangs der Schlusskurve noch an letzter Stelle lag, mit unglaublichem Speed dann die Boys vernaschte (Video Derbysieg Hilda Zonett). Hilda Zonett gewann in ihrer grandiosen Karriere (u.a. Sieg im Prix de France 2003) über 15 Millionen Schwedenkronen bei einem Rekord von 1:10,5.
Wie international diese Linie agiert, zeigt sich auch an dem im Jahr 2005 in Nordamerika geborenen Wallach Slave Dream, der aus der Slave-Tochter Hungarie stammt. Natürlich hat hier Jean-Pierre Dubois seine Hände im Spiel, er ist Besitzer von Hungarie und hat diese für seine kanadische Firma Reve Avec Moi importiert. Slave Dream gewann den Nat Ray Trot 2010 und hat bei einem Rekord von 1:09,6 über 870.000 Dollar eingetrabt. Eine Tochter von Hungarie, Hungadream (v. Credit Winner), wurde nach Holland verkauft.
Während ein weiteres französisches Erfolgspferd dieser Linie, Atlas de Joudes (v. Ready Cash), direkt auf Slave zurückführt, entspringt ein wahrer Geldschrank wiederum einenm anderen Zweig. Die Rede ist von Nimrod Borealis, ein Wallach von Arnaqueur, bei einem Rekord von 1:11,8 hat er gewaltige 1.366.900 Euro eingelaufen. Und neben Hilda Zonett hat diese Linie eine weitere Klassevertreterin in Schweden, 2011 gewann die Varenne-Tochter Britannia – 1:12,6/1,6 Mio. SEK – das E3-Finale in Boden.
Eine tolle Sache jedenfalls, dieser Ankauf von Vrai Lord. Möge er die Erfolgsgeschichte dieser Mutterlinie weiterschreiben und dem österreichischen Trabrennsport neue Impulse geben. Und bei einer zu erwartenden Steigerung der Gewinne ist der Hengst sicherlich auch als Stallion interessant.
2013_08