Unglaublich: 90 Renntage pro Jahr!
Ein Bericht von Nikolaus Matzka
Auf Intention meines schwedischen Freundes Ulf Lindström trafen wir uns in Palma di Mallorca, um Näheres über den spanischen Trabrennsport zu erfahren, der tatsächlich nur auf den Balearen (der Löwenanteil auf Mallorca, aber auch einige einige Veranstaltungen auf Menorca und Ibiza) stattfindet, auf dem spanischen Festland gibt es keinen Trabrennsport.
Die größte Rennbahn ist das Hipòdrom Son Pardo, etwas außerhalb Palmas gelegen. Es ist eine 1000-Meter-Bahn, die Tribüne bietet 4.000 Personen Platz, die Pferde können in 210 Stallungen untergebracht werden. Die website inkludiert auch Traben in Manacor, wo kein Geringerer als Rafael Nadal geboren wurde und nach wie vor dort lebt. Manacor ist ein 650-Meter-Oval, anbei der Veranstaltungskalender der zwei Rennbahnen mit nicht weniger als 90 Veranstaltungen heuer, davon wiederum 90% PMU Premium!
Ulf und ich fuhren also am 17. Februar zur Trabrennbahn. Der Renntag begann zwar erst um 16.10 Uhr, doch es war schon zu Mittag viel los, allem Anschein nach des Essens wegen. Tatsächlich war ein sehr großer Raum im Bauch der Haupttribüne sehr gut besucht, um einen Pauschalpreis von 10 Euro konnte man von einem riesigen Buffet mit mallorquinischer Küche schlemmen (ein auf Mallorca lebender Schwede ging alleine fünf Mal zum Dessertbuffet …), auch Rotwein war im Preis inkludiert.
Zum Renntag selbst fanden sich hingegen sehr wenige Leute ein, man sagte uns, dass an den Wochenenden und vor allem in der touristischen Hauptsaison allerdings doch viel mehr Zuseherinteresse hersche. Die Tageskarte bestand aus insgesamt neun Rennen, davon das erste um 1.000 Euro Dotation, die restlichen Bewerbe waren PMU Premium Races (zwei um 6.000 Euro – Einsatz 40 Euro –, sechs um 5.000 Euro – Einsatz 35 Euro –, Dotationsaufteilung nur für die ersten sieben Pferde, 20% Züchterprämie in allen Rennen!).
Durchaus überraschend gestaltet sich die Proposition der Rennen. Nicht weniger als sechs davon sind für „nacionals” ausgeschrieben, d.h. für spanisch gezogene Pferde. Wir erfuhren, dass die Mallorquiner dies als eigene Rasse ansehen, die sie „Trotons” nennen. Auf der Rennbahn unterhielten wir uns mit Gabriel Crespi, der einer alten mallorquinischen Traberfamilie entspringt und gerade ein Pferd namens Big Boss (vom Amerikaner Olympia Fields abstammend) trainierte. Crespi überraschte uns mit der Aussage, dass auf Mallorca bis zu 200 Fohlen jährlich geboren werden. Die restlichen Rennen sprachen französisch gezogene Pferde an (zwei Bewerbe), weiters gab es ein internationales Rennen, das mit einer Ausnahme (die das Rennen auch gewann, Ergebnisse des Renntages hier, Video des 9. Rennens mit einem für spanische Verhältnisse sehr unaufgeregten Kommentar ...) nur Franzosen am Start sah. Ordentliche Kaliber sah man im ersten Tour Trotteur Francais-Rennen, das Rennen wurde ab (!) einer Gewinnsumme von 150.000 Euro gelaufen, gewinnreichstes Pferd im Feld war der elfjährige Hengst Roller Quick mit knapp 700.000 Euro an Gewinnen. Die Distanzen betrugen 2150 sowie 2650 Meter.
Als Deckhengste verwendet werden dann eben auch viele importierte Franzosen mit höheren Gewinnsummen wie etwa Spirit Beji, aber auch mit Gefriersamen wird gearbeitet. So stammen etwa die zwei letzten spanischen Derbysieger (Liste der Sieger) vom schwedischen Menhammar-Crack From Above ab, die schwedische Züchterchampion-Stätte pflegt (nicht zuletzt über ihre Reederei) Kontakte zum mallorquinischen Trabrennsport, so wurde etwa die Spitzenstute Timbal in Mallorca auf ihre Rennkarriere vorbereitet!
Sehr hilfreich waren auch die zahlreichen Personen, die im Sekretariat auf Son Pardon anwesend waren. Sie versorgten uns mit interessantem Material zur Geschichte des Trabrennsports in Spanien. Wir erfuhren u.a.:
– 1903 fanden nach Aufzeichnungen die ersten Trabrennen in Mallorca statt, andere Quellen sprechen bereits von 1878
– seit den 1920er-Jahren gibt es protokollierte Rennen
– die 1960er-Jahre gelten als das „Goldene Zeitalter” des Trabrennsports in Mallorca mit der Eröffnung der neuen Rennbahn Son Pardo im Jahr 1965 (Sieger des Gran Premi: Itu v. Ecu d´Or D a.d. Naire v. Unbekannter Hengst …)
– Die siebziger-, achtziger- und neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts brachten mit Bartomeu Estelrich und Joan Anton Riera Rosselló (Europameister!) durchaus bekannte Namen hervor
– 2015: 50. Geburtstag des Hippòdrom Son Pardo mit dem 82. Gran Premi Nacional de Trot
Selbstverständlich sprachen wir die Mallorquiner auf ihren aktuellen Star Trebol an, auf den sie natürlich mächtig stolz sind. Für sie – wie wohl auch für die restliche Traberwelt – kam die enorme Leistungsexplosion des Hengstes sehr überraschend, wenngleich er schon bei seinem Sieg etwa im Gran Premio Nacional für 3-Jährige 2010 und weiterführend bald auch in Paris-Vincennes seine Klasse zeigte. Dass er aber 2015, natürlich als erstes spanisches Pferd überhaupt, ein Rennen der UET Masters Series, den Kymi Grand Prix in Finnland, gewinnen würde, überstieg dann aber doch die Erwartungen. Trebols nächster großer Wurf war der Sieg im Prix du Luxembourg 2016 in Paris-Vincennes, im Prix de France fiel er eher durch eine eigenartige Aktion seines Steuermannes und Trainers Gabriel Angel Pou Pou auf …
Wie auch immer, Trebol hat nunmehr über 550.000 Euro gewonnen – wer hätte das von einem spanischen Pferd je gedacht?
Artikel über Ulrich Wieland in Mallorca (2014)
Interview Uli Schnieder (2009)
Die Bilderstrecke:
Tribüne Hipòdrom Son Pardo
Richterturm
Zielgerade
Erste Kurve mit Casino
Ulf Lindström im Gespräch mit Gabriel Crespi
Da muss man durch ...
El Almuerzo ...
Spanisch-Schwedische Runde, der Österreicher fotografiert ...
Reger Import von Frankreich nach Mallorca: Deckhengst Spirit Beji ...
… und 800.000-Euro-Gewinner Roller Quick 1:09,9
Eher leere Wetthallen ...
… und Tribünen.
Dennoch ein stimmungsvoller Besuch bei extrem freundlichen Leuten.
2016_03